Gildentag der AGÖ im September 2024

Als Wallfahrer im Wolfgang-Heiligtum
Bericht vom Gildentag der AGÖ, 28.-30. September 2024

An der schönsten Stelle des Salzburger Wolfgangsee-Ufers gelegen, erwartete unser Ferienhaus die Gildenbrüder und deren Gildenschwestern. Bei sonnigem, aber doch schon frischem Herbstwetter wurde in der herrlichen Umgebung am Sonnabendmorgen vorweg an die physische und mentale Gesundheit gedacht: Nach fakultativ erfrischendem Bad im noch immer recht angenehmen Wasser ging es am Seeufer entlang über Brunwinkel und Fürberg, auf dem alten Pilgersteig auf und über den Falkenstein (746 müA) mit Scheffel-Denkmal, Gschmah-Platzl und Wolfgang-Klause und hinunter und übers Ried nach St. Wolfgang.

Nach dem glücklichen Zusammentreffen aller Wanderer und Kursschiff-Fahrer am Landesteg St. Wolfgang wurde zuerst in der berühmten „Kaffeewerkstatt“ in einem Extra-Raum Rast gehalten. Nun folgte die erste spirituelle Herausforderung: Günther begann mit einer ausführlichen, aber kurzweiligen Vorbereitung der Wallfahrer auf das Wolfgang-Heiligtum: den St. Wolfganger Flügelaltar des Pustertaler Malers und Bildschnitzers Michael Pacher (1435-1498). Er kann als einer der vier schönsten und berühmtesten Schnitzaltäre des Abendlandes gelten – zusammen mit dem Altar in der Marienkirche von Krakau von Veit Stoß, dem Marienaltar in Creglingen bei Rothenburg von Tilman Riemenschneider und dem Kefermarkter Altar von (vermutlich) Meister Kriechbaum. Allzubald (nach fast zwei Stunden) musste Gildenkanzler Norbert die andächtig Lauschenden zum Aufbruch in die Kirche „stampern“ (mittelbairisch für: treiben).

In mystischem Helldunkel empfing uns das geschichtsträchtige Gotteshaus von St. Wolfgang am See. Der Altarschrein war geöffnet und beleuchtet und zum Staunen wunderbar und schön! Die Mesnerin führte gerade mit Mikrophon und Lautsprecher einer Gruppe Wallfahrer anschaulich vor, was Günther zuvor virtuell und mit vielen Hintergründen entworfen hatte.

Zurück im gemütlichen Haus, nach Konvent und Abendtafel – ein frugales Kunstwerk unserer „Schwestern“ – folgte:

Reinhard: Eselsbrücken zum Merken komplizierter und langer Zahlenreihen. So manch einer staunte über Reinhards Gedankengänge. Nur gut, dass er noch nicht auf die Quadratur oder die Kubikwurzeln von Eselsbrücken vorgestoßen ist – und nicht abgeprüft wurde!

Es folgte Norbert mit Caspar David Friedrich, zum 250. Geburtstag des Greifswalder Malers. Wir durften ihm sodann auf seiner Suche nach der blauen Blume des Wandervogels folgen. Ausgehend vom schwedisch-pommerschen Greifswald, vorbei an Kap Arkona und Brocken, Ludwig Richters sächsisches und böhmisches Elbsandsteingebirge, durch die vom Schmadribachfall aufsteigenden Nebel von Josef Anton Koch, mithineingerissen in den Hochzeitszug des Moritz von Schwind, Rudolf von Alts Blick vom Wiener Graben auf den Stephansturm, landete Norbert zuletzt in Spitzwegs Münchner armseliger Dachkammer und zu allerletzt vor der wunderschönen Bücherwand des Bücherwurms: Sinnbild akademischer Wissbegier

Nach dem erst feucht-fröhlichen Singen und einem feucht-fröstelnden Abendausschauen etwa beim Gang zur Dependance, stieg ein ebenso frischer wie sonniger Herbstsonntag herauf. Aus all dem Grün leuchtet dann die weiß- und goldockerfarbige Nadel des Gilgener Kirchturms heraus, während sich von den waldigen Hängen des Zwölferkogels noch blaugraue Schatten zurückziehen.

Nach der von Norbert gestalteten Morgenfeier nun der große Glücksfall für den Österreichischen Gildentag: Nach dem virusbedingten Ausfall des vorgesehenen fachkundigen Vortragenden zu einem Agrarthema, konnten wir mit unserem Gildenbruder Klaus aus Rosenheim jemanden finden, der das ähnlich wichtige Thema „Herz“ für uns alle eingehend und deutlich aufbereitete. Der Alterssumme seiner gebannten Zuhörer von etwa 1400 Lebensjahren wegen vorausschauend und auf die nahe oder nächste Zukunft ausgerichtet sprach er zu „Entwicklung und Perspektiven der Herzchirurgie“. Ganz locker entwickelte Klaus Gefahr und Gedeih, Vergehen und Rettung, Tod und Leben. Und dann die durchgereichte Sammlung von Herzklappen, die jeden Uhrmacher, Mechaniker, Maschinenbauer und überhaupt jeden Techniker fesseln musste!

Den Abschluss bildete wie jedes Jahr der Gang zur alten Marktschule von St. Gilgen, jetzt Kulturhaus mit einer Sammlung zur Zinkenbacher Malerkolonie. Die kleinen Sommerhäuschen, zumeist Dependancen zu großbürgerlichen Sommervillen, wurden in den 1920er Jahren zum Schauplatz einer alljährlich aufblühenden, unkonventionellen Künstlerkolonie: Drei begabte Wiener Mädel, die ihre Sommer mit ihren großbürgerlichen Eltern in Zinkenbach verbringen: Ihre Malerei, ihr Spielen mit Formen und Farben, das Erproben von Malweisen bildet eine erst verdrängte, später verlorene und vergessene Brücke zwischen Jugendstil-Moderne und zur abstrakten Malerei ab den 1960er Jahren. Die oft kleinen Werke machen den Werdegang zur zeitgenössischen Kunst verständlicher und sind gerade deshalb kunstgeschichtlich wichtig. Eine beachtliche und daher unterstützenswerte Initiative der kleinen Viertausend-Einwohner-Gemeinde St. Gilgen. Vermittler war wieder einmal mehr der langjährige Kustos, der nun seine Aufgaben an jüngere Kräfte übergeben wird.