Anfänge in der Vorkriegszeit
Die ersten Gilden der Vorkriegszeit hatten sich nach dem Ersten Weltkrieg aus dem Wandervogel heraus entwickelt. Diese Bewegung war eine Reaktion auf die Auswirkungen der raschen Industrialisierung und der erstarrten gesellschaftlichen Verhältnisse des Kaiserreichs. Der Gedanke der „Wandervogelkorporation” schlug ein.
1920 schlossen sich Gilden und akademische Freischaren zur Deutschen Akademischen Gildenschaft zusammen. Die ersten Gildenschafter strebten aus dem Geist der Jugendbewegung eine Erneuerung des Korporationswesens an. Sport und Wanderfahrt waren wichtige Ausdrucksformen des Gildenlebens. Gilden und Freischaren aus Österreich, Böhmen und Mähren kamen bald hinzu.
Gildenschaft in der Weimarer Republik
Teile der Gildenschaft befanden sich – ähnlich wie Teile der Jugendbewegung und der Korporationen – in Opposition gegen die 1919 geschaffene Republik. Auf den heraufziehenden Nationalsozialismus reagierten manche Bundesbrüder zustimmend und waren im Folgenden in den nationalsozialistischen Staat verstrickt. Andere lehnten ihn ab, auch weil sie nationalbolschewistischen oder ständestaatlichen Vorstellungen anhingen. Obwohl die Gildenschaft nach der nationalsozialistischen Machtergreifung versuchte, sich mit den Verhältnissen zu arrangieren, wurde sie von der Reichsjugendführung als Fortführung bündischen Lebens bespitzelt und schließlich 1935 wie alle Korporationen verboten. Die bis dahin anhaltende Skepsis der Reichsjugendführung war insbesondere darin begründet, da sich ab 1933 in der „Bündischen Gildenschaft“ auch die akademische Älterengemeinschaft (Jungmannschaft) des zwangsaufgelösten Großdeutschen Bundes zusammenfand. Neben den konfessionellen Pfadfinderbünden war die Gildenschaft so eine der letzten freien Gemeinschaften mit jugendbewegter Tradition.
Neugründung nach dem Verbot
Aus all diesen geschichtlichen Erfahrungen war bei der Neugründung am 15. Juni 1958 eine völlige inhaltliche Neuausrichtung selbstverständlich. Damals wurde von der DG eine Grundsatzerklärung verabschiedet, und das in ihr enthaltene Bekenntnis zur Staats- und Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland wurde 1963 in der „Nürnberger Erklärung” nochmals bekräftigt.
1958 schlossen sich in Frankfurt/Main die Deutsche Akademische Gildenschaft, die Altherrenschaft bündischer Studentenverbände zu Prag und Brünn und der Arbeitskreis Sudetendeutscher Studenten zur Deutschen Gildenschaft zusammen. Die gemeinsamen Ziele der DG wurden in einer Grundsatzerklärung festgelegt. Die Verantwortung für Volk und Staat und das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, das Wiedervereinigungsgebot und die Forderung nach dem Selbstbestimmungsrecht der Völker und dem Heimatrecht waren zentrale politische Grundlage des Bundes.
Seiner Herkunft aus der Jugendbewegung entsprechend, setzte sich der Bund aus überschaubaren, generationsübergreifenden Gemeinschaften an den Hochschulorten zusammen. Die jungen Studenten, die nun hinzukamen, waren durch die Erlebnisse der Kriegs- und Nachkriegszeit geprägt, viele von ihnen hatten durch Vertreibung ihre Heimat verloren. Erneut rekrutierte sich ein Großteil der Aktiven aus den Jugendbünden. Nach der Erschütterung ihrer Lebensverhältnisse und in der enttäuschenden Erkenntnis, dass ihre jugendlichen Ideale von einem verbrecherischen Regime missbraucht worden waren, wollte auch diese Generation ihr Leben „nach eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung mit innerer Wahrhaftigkeit” gestalten, wie es schon 1913 in der Meißner-Formel der Freideutschen Jugend hieß.
Auch ein Großteil der Alten Herren war durch ihre Erfahrungen in den Bünden der Jugendbewegung, akademischen Gilden und Freischaren der Jahre zwischen den Weltkriegen geprägt. Aus jener Zeit brachten sie das Bewusstsein der Eigenverantwortlichkeit, zur Verantwortung für andere und für das Gemeinwohl, den Willen zur Wahrhaftigkeit und Kameradschaftlichkeit mit. Erbteil der Jugendbewegung war außerdem ein besonders ausgeprägtes Verhältnis zur Natur.
Auch in Österreich gründeten sich neue Gilden. Mitte der 60er Jahre gab es rund ein Dutzend aktiver Gilden. Im Geist der späten 60er Jahre erhielten die Gilden jedoch kaum noch Nachwuchs. Erst mit Beginn der 80er Jahre gelang es, Zug um Zug neue Gilden aufzubauen und ältere neu zu beleben.
Heutige Positionierung
Die DG ist sowohl in der Verbindungslandschaft als auch in der Jugendbewegung verankert. Dies zeigt sich z.B. darin, dass Aktive 1963 und 1988 an Lagern der Jugendbewegung auf dem Hohen Meißner teilgenommen haben, in denen an das Treffen der Freideutschen Jugend 1913 erinnert wurde. Gleichzeitig arbeitet die DG im Convent Deutscher Akademikerverbände und im Convent Deutscher Korporationsverbände mit. 1978 und 1993 richtete sie überregionale Verbändegespräche aus. Mit dieser Kombination von jugendbewegten und korporierten Elementen ist sie wohl einzigartig in der deutschen Verbindungslandschaft.
1990 erfüllte sich ein für die DG zentrales politisches Ziel: die Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit. Daran hatte der Bund über Jahrzehnte unbeirrt und gegen viele Anfeindungen festgehalten. 1992 zog die DG mit der „Salzburger Erklärung” Schlussfolgerungen aus der veränderten Lage für ihre Arbeit.
Um den Weg ins 21. Jahrhundert zu weisen hatte im Herbst 2008 sowohl unser damaliger Aktivensprecher einige Eckpunkte formuliert, als auch der Bundesvorstand der DG mit der „Quedlinburger Erklärung” eine aktualisierte Grundsatzerklärung beschlossen.
Im Umfeld des Meißnertreffens 2013 entstanden unter Bünden der Jugendbewegung Debatten über die vermeintliche politische Ausrichtung einzelner Bünde, darunter der Deutschen Gildenschaft. Sie mündeten in einen sogenannten Dialog der Bünde auf der Jugendburg Ludwigstein. Die Gildenschaft nahm dies zum Anlass, ihr Selbstverständnis orientiert an den Herausforderungen der Gegenwart und in einer zeitgemäßen Sprache neu zu formulieren. Ergebnis war die Göttinger Grundsatzerklärung vom 15. November 2014. Im Rahmen des Dialogs verständigten sich die teilnehmenden Bünde zudem auf eine auf Gut Steimke am 15.Juni 2014 formulierte gemeinsame inhaltliche Grundlage. Beide Erklärungen sind verbindliche Grundlagen unserer Arbeit.