Norddeutscher Gildentag: Sagenhaft und schaurig-schön

Die Kieler und die Hannoveraner Gilde wählten dieses Jahr den Harz zum Treffpunkt ihres Gildentages, der September in Bad Grund stattfand. Auch die Hamburger waren mit dabei, womit sich „der Norden“ im Hinblick auf unsere organisierten Gemeinschaften vollständig vertreten sah.

Am Freitagabend begann unser Zusammensein mit gemütlichen Gesang im Wintergarten der Unterkunft, begleitet von Gitarre und Geige. Am Sonnabendmorgen erfuhren die jungen und junggebliebenen Teilnehmer bei der Morgenfeier, dass es in Bad Grund einen der berühmten Zwergenkönige des Harzes gab, Hübich, der den Armen hilfreich zur Seite stand. Außerdem berichtet die Sage von riesenhaften wilden Männern, deren Nachfahren in der Gegend als Köhler und Waldarbeiter ihr Dasein fanden. Am Vormittag wurden wir anschaulich durch eine der Iberger Tropfsteinhöhlen des Höhlenerlebniszentrums in Bad Grund geführt und lernten, dass sich hier vor 385 Millionen Jahren ein Korallenriff befand, das damals so weit im Süden lag wie heute Madagaskar. Anschließend wanderten wir nach Wildemann, und einige Mutige sprangen auf dem Rückweg ins kühle Wasser eines Steinbruchs.

Ein Wochenendtreffen ist eigentlich immer zu kurz, und so war schon sehr bald der Bunte Abend da. Da wurde zum Tanz aufgespielt und später beim Spiel „Top 10“ viel gelacht. Am Sonntagmorgen gaben wir Mendelssohns vierstimmiges Chorstück „Abschied vom Walde“ zum Besten und reisten dann gedanklich gemeinsam, einem Vortrag folgend, ausgehend von der Entstehung des Harzes durch die Erdgeschichte: Kollision von Gondwana und Laurussia, Meeresüberflutungen, heißes Wüstenklima, Vulkanausbrüche… und am Ende riesige Eisschollen, die die Berge entstehen und wieder zerbröseln ließen.

Eingedenk solcher apokalyptischer Naturgewalten freut man sich, dass es den Harz, sagenhaft und wunderschön, noch immer gibt. Und er wird bestimmt auch noch da sein, wenn wir uns im September nächsten Jahres zum Norddeutschen Gildentag wiedersehen!

 

„Wer unseren Bund betrachtet, muss Wimmelbilder mögen“ 36. Bundestag der Deutschen Gildenschaft in Bad Kissingen

Im Juli 2025 fand der Bundestag der Deutschen Gildenschaft in Bad Kissingen statt: rund 125 Teilnehmer aus vier Generationen, und niemand wird gezählt haben, zum wie vielten Mal eigentlich.

Freitagabend versammelten wir uns ums Bundesfeuer, gedachten unserer Verstorbenen und stimmten uns auf das Thema unseres Bundestages ein: „Zusammenhalt und nationales Selbstverständnis in Deutschland“. Die Feuerrede hatte das Thema der vielen evangelischen Theologiestudenten, die den Gilden der Zwischenkriegszeit angehörten. Dass einige es mit dem Deutschen Christen hielten, wusste man; dass anscheinend jedoch deutlich mehr zur Bekennenden Kirche standen, noch nicht so lange. Die Gildenschaft lasse sich historisch nicht so eindeutig verorten, wie manche es gerne hätten. „Dies gilt für jene, die unseren Bund allzeit schlecht reden, genauso wie für jene, die seine Geschichte zu rosig, geradezu kritiklos sehen. Wer unseren Bund betrachtet, muss Wimmelbilder mögen“, so ein Zitat aus der Feuerrede.

Den Ton für den Bundestag setzten im doppelten Wortsinn zugleich jene Bundesgeschwister und Gäste, die bis weit nach Mitternacht am verglimmenden Feuer die vertrauten Lieder sangen.

Samstag früh wurde zur Morgenfeier eine andere Seite unserer jugendbewegten Herkunft ins Gedächtnis gerufen: das Wandern als „eine stille Form des Respekts. Gegenüber der Natur, gegenüber sich selbst – und auch gegenüber dem anderen. Denn auf einem Wanderweg gibt es kein Drängeln, kein Gegeneinander“, wurde besonders eine Seite dieses in unseren Reihen gepflegten Erbes herausgestellt.

Um Zahlen und Fakten ging es anschließend beim ersten Vortrag. Wie viel Heterogenität verträgt eine Gesellschaft, wie viel Homogenität braucht sie? Wie lässt sich ein verbindendes Nationalbewusstsein fördern? Das waren Kernfragen, die uns durch den inhaltlichen Teil des Bundestags begleiteten. INSA-Chef Hermann Binkert aus Erfurt trug demoskopische Befunde zum nationalen Selbstverständnis und Zusammenhalt in Deutschland vor. Es sind das Grundgesetz und die deutsche Sprache, die für sehr breite Mehrheiten am allerwichtigsten für den Zusammenhalt sind. Und vor allem die Achtung des Grundgesetzes, Heimat und Nationalität sind es, die Befragte mit der deutschen Staatsangehörigkeit verbinden, so einige zentrale Ergebnisse aus den Datensätzen.

Der Nachmittag gehörte Wanderungen in die Natur oder in die Stadt Bad Kissingen mit viel Gelegenheit zum Gespräch, bevor sich der Bund zum Festabend in einem der neuen Säle des gerade fertiggestellten und beeindruckenden Erweiterungsbaus versammelte. Es handelt sich, dies sei am Rande vermerkt, um den „dritten großen Meilenstein in der Geschichte des Heiligenhofs – nach dem Erwerb 1952 und dem Bau des Seminarhauses 2002“, wie es Hausherr anlässlich der öffentlichen Übergabe wenige Tage später ausdrückte.

Zum Gelingen des Abends trugen viele Bundesgeschwister durch anspruchsvolle und kurzweilige musikalische Beiträge oder Kabarettistisches genauso bei wie die Musiker und das vom Heiligenhof gestellte Buffet. Zu den Bildern des Abends, die haften bleiben, gehören die zum Buffet sausenden, zahlreich mitgekommenen Kinder unserer jüngeren Bundesgeschwister und Gäste.

Der Sonntag begann für rund 30 Bundesgeschwister und Gäste mit einer Morgenandacht. Zum Morgensingen versammelte sich wieder der gesamte Bund.

Die anschließende Akademische Feierstunde beinhaltete eine Premiere der besonderen Art: Ein Projektchor sang die von Johannes R. Becher getextete und von Hanns Eisler komponierte DDR-Hymne „Auferstanden aus Ruinen“. Dieser Auftritt darf getrost als die Überraschung des 36. Bundestages in die Annalen der Deutschen Gildenschaft eingehen. Eine allerdings wohlbegründete Überraschung, denn der Titel des folgenden Festvortags knüpfte an folgende Zeilen aus dieser Hymne an: „Lass uns Dir zum Guten dienen / Deutschland, einig
Vaterland“.

Der Festredner, der in Ost-Berlin aufgewachsene Hauptstadtjournalist und Theodor-Wolff-Preisträger Ralf Schuler, hatte seinen Vortrag unter die Überschrift „Deutschland (un)einig Vaterland: Was hält uns zukünftig noch zusammen?“ gestellt. Schuler betonte die herausragende Bedeutung der Meinungsfreiheit und der Migration für sein Thema: „Meinungsfreiheit ist entscheidend dafür, dass wir uns auf ein gemeinsames Verständnis von Zusammenhalt einigen können. Migration ist entscheidend dafür, was genau dieser Zusammenhalt sein könnte und wer überhaupt mit wem zusammengehalten werden möchte. Es ist ein Unterschied, ob ich einer Schicksalsgemeinschaft und, vielleicht sogar noch wichtiger, einer Geistesgeschichte seit Generationen angehöre oder unvermittelt in diese Debatte zum Mitreden eingeladen werde“, sagte er.

Wie schon am Vortag schloss sich auch diesem meinungsfreudigen Festvortrag eine lebhafte Debatte an. Sie zeigte, dass auch die Mitglieder der Deutschen Gildenschaft im Spannungsfeld Migration, Integration, Zusammenhalt und Nation mitnichten zu gleichen Befunden und Schlüssen kommen. Unser Bund ist insoweit ein Spiegelbild der Gesellschaft. Nach der Akademischen Feierstunde versammelten sich die Teilnehmer dann zur Schlussrunde. Es war vielfältiger Dank für einen allgemein als gelungen eingeschätzten Bundestag abzustatten, zu dem sehr viele ihren Teil beigetragen hatten. Wie jede gute Veranstaltung war er ein Gemeinschaftswerk. Und dann hieß es: „Wieder einmal ausgeflogen, wieder einmal heimgekehrt…“

Rückblick auf das Wintersemester 2013/14 der Gilde „Gorch Fock“

Der Hamburger Gildentag 2013 im herrlich sommerlichen Brandenburgischen wies schon in die Richtung unseres Semesterthemas. Wir hatten die Zeit von vor hundert Jahren aufleben lassen, setzten dies in gewisser Weise beim Hohen Meißner-Treffen im Herbst fort und wollten das ganze mit dem künstlerischen Aspekt abrunden. Und so lautete unser Thema im Wintersemester (13/14): „Kunst und Architektur der klassischen Moderne“.
Da wir uns also bereits in das zweite Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts eingeschwungen hatten, fiel es nicht weiter schwer, uns in die Zeit nach der Jahrhundertwende und vor dem 1. WK einführen zu lassen, wie sich aus dem Kaiserreich die Voraussetzungen für Moderne entwickelten. Der nächste Abend brachte uns wenig später den Jugendstil in seinen verschiedenen Facetten näher, der nicht nur Ableger in Europa aufzuwies, sondern unter Aufgabe von Symmetrien sich vom Einzelkunstwerk verabschiedete. So gibt es Beispiele, die das gesamte Haus, von der Architektur, der Raumgestaltung und -ausstattung bis hin zu Möbeln, Besteck und Geschirr umfaßten. Der Film über die bildende Kunst der Moderne auf Arte am nächsten Gildenabend fand keine ungeteilte Zustimmung, da er aus unserer Sicht nicht ausreichend ausgewogen war. Wie üblich wurde der Jahreskreis mit dem schon zur lieben Gewohnheit gewordenen weihnachtlichen Schrottwichteln und grundsolidem Grünkohl nebst kleiner Feuerzangenbowle beschlossen.
Im neuen Jahr stellte sich dann Picasso vor, der nicht nur ein gelernter Künstler war und die klassische Malerei bestens beherrschte, sondern dessen unglaubliche Kreativität sich zeitlebens in neuartigen Stilen und Formen ausprägte, ohne dabei die erlernten Techniken völlig zu vergessen.
Im Anschluß daran konnten wir am Entstehen der Fotografie als eigenständiger Kunstform teilhaben, dem Piktoralismus als „malerischer Fotokunst“. Spannend, wie die Wahrnehmung der allerersten Fotos auch den Umgang damit veränderte und gleichzeitig auf die klassischen Künste zurückspiegelte. Ein weiterer Vortrag handelte über den Expressionismus und seinen bekannten Künstlervereinigungen „Die Brücke“ und „Die blauen Reiter“ mit Beispielen aus der Malerei, Architektur und bildenden Kunst.
Das letzte Referat dieses Semesters widmeten wir schließlich dem Werkbund, der seine Ausprägung direkt in Firmengründungen fand und noch über das Bauhaus und das Industrie Forum Design bis in die heutige Zeit hineinwirkt. Durchaus für Heiterkeit sorgte dabei eine kleine Ausstellung an Alltagsgegenständen, die wir aus dieser Zeit mitgebracht hatten, die teilweise sehr deutlich ihre Entstehungszeit erkennen ließen, von denen einige aber bis in unsere Tage unbekümmert in Gebrauch sind.
Zum aktiven Semesterabschluß trafen wir uns im Hamburger Kontorhausviertel zu einer architektonischen Stadtführung. Hier sind die Einflüsse der Moderne auf die Architektur an diversen Gebäuden wie beispielsweise dem Chilehaus auch heute noch gut erkennbar. So ging ein künstlerisches Semester wieder einmal in großer Runde zu Ende und wir konnten uns auf ein entspanntes Sommersemester mit Bundestag freuen.