Unser Selbstverständnis
Die Deutsche Gildenschaft ist ein akademischer Bund jugendbewegter Prägung. Sie ist parteipolitisch unabhängig und konfessionell ungebunden. Ihr Ziel ist die gegenseitige Erziehung auf der Grundlage akademischer Freiheit zu einem Leben in Verantwortung – nach eigener Bestimmung und in innerer Wahrhaftigkeit.
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Die Gemeinschaften der Deutschen Gildenschaft in Deutschland und Österreich sind nach dem Grundsatz des Lebensbundes aufgebaut. Ihnen gehören Frauen und Männer unterschiedlicher Überzeugungen und Herkunft an. In diesen Gemeinschaften sollen ihre Mitglieder in geistiger Unabhängigkeit ihre Persönlichkeit frei und umfassend entfalten:
- im freundschaftlichen Miteinander, bei gepflegter Geselligkeit, beim Sport, Singen und Musizieren, in Diskussionsrunden und durch die Mitarbeit am Gemeinwohl,
- in der gemeinsamen unmittelbaren Begegnung mit der Natur und der Erfahrung der Verantwortung für die natürlichen Lebensgrundlagen, zum Beispiel beim Wandern, in Lagern und auf Fahrt,
- im akademischen Austausch miteinander und zwischen den Generationen zu Themen, die über die jeweiligen Studienschwerpunkte der Gildenschafter hinausgehen und zu einer umfassenden Bildung beitragen,
- vor allem jedoch im gemeinsamen Ringen um das Bild des eigenverantwortlichen Menschen, seinen Bezug auf grundlegende Werte und in der geistigen Beschäftigung mit den Problemen der Zeit.
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Der Anspruch, ein Leben in Verantwortung zu führen, schließt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Fragen der Gesellschaft, des Staates, der nationalen und der übernationalen Ordnung ein.
Für die Deutsche Gildenschaft ist selbstverständlicher Ausgangspunkt ihres Denkens und Handelns die unveräußerliche Menschenwürde. Der Bund bekennt sich zur freiheitlichen demokratischen und rechtsstaatlichen, in der europäischen Wertegemeinschaft und Tradition verwurzelten Ordnung. Sie gilt es zu bewahren.
Ein Leben in Verantwortung heißt für die Deutsche Gildenschaft, dass Freiheit auf Bindung und die Orientierung am Gemeinwohl hinzielt. Lebendige Gemeinschaften sind, angefangen mit den Familien, die Bausteine einer vielfältigen und vitalen Gesellschaft. Sie geben Halt, stiften Lebenssinn, erleichtern die Weitergabe von Traditionen und ermöglichen Beheimatung.
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Die Deutsche Gildenschaft ist davon überzeugt, dass Sprache, Kultur und Heimat zur Prägung von Menschen und Gemeinschaften beitragen. Sie sieht in den gewachsenen, sich beständig entwickelnden Kulturen der Welt einen hohen Wert. Das bestimmt die positive Haltung des Bundes gegenüber der Zugehörigkeit zum deutschen Volk und zur Nation. Dies schließt die Anteilnahme an der Lage deutscher Minderheiten in aller Welt ebenso ein wie die Achtung von Menschen anderer Herkunft und ihrem Bedürfnis nach kultureller Identität.
Die Deutsche Gildenschaft möchte den Zusammenhalt und das friedliche Zusammenleben in Deutschland festigen. Verbindliche Grundlage für alle ist die Anerkennung der Rechts- und Werteordnung. Zugleich will der Bund die innere Bindung der Bürger an ihr Land fördern und das nationale Zusammengehörigkeitsgefühl stärken.
Die Deutsche Gildenschaft bejaht eine europäische Ordnung, die auf der Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fußt und den Reichtum und die Vielfalt der europäischen Kulturen wahrt. Diese Ordnung soll den Frieden und das Wohlergehen der Völker, der nationalen Minderheiten und der Bürger fördern. Die europäische Integration muss von demokratisch verfassten Mitgliedsstaaten getragen und demokratisch legitimiert sein.
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Die Zerstörung natürlicher Lebensgrundlagen stellt ein weltweites Problem dar und gefährdet die Zukunft nachfolgender Generationen. Die Deutsche Gildenschaft setzt sich auch aus ihrer jugendbewegten Haltung für einen bewahrenden Umgang mit der Natur und eine verantwortungsbewusste Lebensgestaltung ein.
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Der Bund ermutigt seine Mitglieder, in ihren Lebens- und Wirkungskreisen nach seinen Grundsätzen zu handeln und Verantwortung zu übernehmen.
Göttinger Grundsatzerklärung, November 2014
Unser Bundesleben
In vielen Universitätsstädten gibt es Gilden. Dort treffen sich Studentinnen und Studenten regelmäßig zu gemeinsamen Unternehmungen. Normalerweise findet während des Semesters wöchentlich ein Gildenabend statt.
Jede Gilde stellt die Gildenabende unter ein bestimmtes Thema, mit dem sie sich mittel Referaten auseinandersetzt. Die Spanne dieser Semesterthemen reicht dabei von „zukünftige Energieformen”, „Globalisierung und Regionalismus”, „Bürger und Staat” bis zu „Jugendmusikbewegung”, um nur einige Beispiele zu nennen. Darüberhinaus runden Theater- und Konzertbesuche, Sport, Tanz, Singeabende mit der Klampfe und andere Aktivitäten unser Semesterleben ab. An Wochenenden oder in den Semesterferien kommen Wanderungen, Fahrten oder Seminare zu politischen und kulturellen Themen hinzu.
An unseren Veranstaltungen, gerade auch den Gildenabenden, nehmen neben uns Gildenschaftern auch Gäste teil; wir freuen uns über jeden, der uns kennenlernen will.
An vielen unserer Aktivitäten nehmen nicht nur die Studierenden (Aktiven), sondern auch diejenigen teil, die ihr Studium bereits abgeschlossen haben, denn dies ist Ausdruck unseres Lebensbundprinzips: Die Mitgliedschaft endet nicht mit dem Studium, sondern dauert das ganze Leben.
Der Austausch zwischen Jung und Alt ist uns besonders wichtig. Deshalb treffen sich die Mitglieder jeder Gilde auch nach dem Studium jährlich mindestens einmal am Wochende zu ihrem „Gildentag” bzw. „Stiftungsfest”. Ein weiteres Treffen unseres Bundes ist der „Bundestag”, der alle zwei Jahre ausgerichtet wird, und zu dem sich Aktive und inaktive Mitglieder aller Gilden treffen.
Die Aktiven treffen sich zusätzlich noch zu anderen Veranstaltungen der Deutschen Gildenschaft: Einmal im Jahr lädt der Bund zu einem Bildungswochenende (Aktivenseminar) ein, auf dem sich die Aktiven durch Vorträge und in Arbeitsgruppen mit einem Thema auseinandersetzen.
Außerdem treffen sich Aktive verschiedener Gilden auf der Winterwoche oder der Sommerfahrt, die als gemeinsames intensives Erlebnis den Zusammenhalt zwischen Mitgliedern verschiedener Gilden festigt. Ziele vergangener Jahre waren zum Beispiel Lappland, Thüringer Wald, Siebenbürgen, Korsika, Harz, Masuren oder die Ägäis.
Als Mitglieder eines akademischen Bundes setzen wir uns also aktiv mit den Fragen und Herausforderungen unserer Zeit auseinander. Unsere Selbsterziehung in der Gemeinschaft zielt auf die Ausbildung von Körper, Seele und Geist zur Entfaltung des ganzen Menschen.
Unsere Geschichte
Anfänge in der Vorkriegszeit
Die ersten Gilden der Vorkriegszeit hatten sich nach dem Ersten Weltkrieg aus dem Wandervogel heraus entwickelt. Diese Bewegung war eine Reaktion auf die Auswirkungen der raschen Industrialisierung und der erstarrten gesellschaftlichen Verhältnisse des Kaiserreichs. Der Gedanke der „Wandervogelkorporation” schlug ein.
1920 schlossen sich Gilden und akademische Freischaren zur Deutschen Akademischen Gildenschaft zusammen. Die ersten Gildenschafter strebten aus dem Geist der Jugendbewegung eine Erneuerung des Korporationswesens an. Sport und Wanderfahrt waren wichtige Ausdrucksformen des Gildenlebens. Gilden und Freischaren aus Österreich, Böhmen und Mähren kamen bald hinzu.
Gildenschaft in der Weimarer Republik
Teile der Gildenschaft befanden sich – ähnlich wie Teile der Jugendbewegung und der Korporationen – in Opposition gegen die 1919 geschaffene Republik. Auf den heraufziehenden Nationalsozialismus reagierten manche Bundesbrüder zustimmend und waren im Folgenden in den nationalsozialistischen Staat verstrickt. Andere lehnten ihn ab, auch weil sie nationalbolschewistischen oder ständestaatlichen Vorstellungen anhingen. Obwohl die Gildenschaft nach der nationalsozialistischen Machtergreifung versuchte, sich mit den Verhältnissen zu arrangieren, wurde sie von der Reichsjugendführung als Fortführung bündischen Lebens bespitzelt und schließlich 1935 wie alle Korporationen verboten. Die bis dahin anhaltende Skepsis der Reichsjugendführung war insbesondere darin begründet, da sich ab 1933 in der „Bündischen Gildenschaft“ auch die akademische Älterengemeinschaft (Jungmannschaft) des zwangsaufgelösten Großdeutschen Bundes zusammenfand. Neben den konfessionellen Pfadfinderbünden war die Gildenschaft so eine der letzten freien Gemeinschaften mit jugendbewegter Tradition.
Neugründung nach dem Verbot
Aus all diesen geschichtlichen Erfahrungen war bei der Neugründung am 15. Juni 1958 eine völlige inhaltliche Neuausrichtung selbstverständlich. Damals wurde von der DG eine Grundsatzerklärung verabschiedet, und das in ihr enthaltene Bekenntnis zur Staats- und Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland wurde 1963 in der „Nürnberger Erklärung” nochmals bekräftigt.
1958 schlossen sich in Frankfurt/Main die Deutsche Akademische Gildenschaft, die Altherrenschaft bündischer Studentenverbände zu Prag und Brünn und der Arbeitskreis Sudetendeutscher Studenten zur Deutschen Gildenschaft zusammen. Die gemeinsamen Ziele der DG wurden in einer Grundsatzerklärung festgelegt. Die Verantwortung für Volk und Staat und das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, das Wiedervereinigungsgebot und die Forderung nach dem Selbstbestimmungsrecht der Völker und dem Heimatrecht waren zentrale politische Grundlage des Bundes.
Seiner Herkunft aus der Jugendbewegung entsprechend, setzte sich der Bund aus überschaubaren, generationsübergreifenden Gemeinschaften an den Hochschulorten zusammen. Die jungen Studenten, die nun hinzukamen, waren durch die Erlebnisse der Kriegs- und Nachkriegszeit geprägt, viele von ihnen hatten durch Vertreibung ihre Heimat verloren. Erneut rekrutierte sich ein Großteil der Aktiven aus den Jugendbünden. Nach der Erschütterung ihrer Lebensverhältnisse und in der enttäuschenden Erkenntnis, dass ihre jugendlichen Ideale von einem verbrecherischen Regime missbraucht worden waren, wollte auch diese Generation ihr Leben „nach eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung mit innerer Wahrhaftigkeit” gestalten, wie es schon 1913 in der Meißner-Formel der Freideutschen Jugend hieß.
Auch ein Großteil der Alten Herren war durch ihre Erfahrungen in den Bünden der Jugendbewegung, akademischen Gilden und Freischaren der Jahre zwischen den Weltkriegen geprägt. Aus jener Zeit brachten sie das Bewusstsein der Eigenverantwortlichkeit, zur Verantwortung für andere und für das Gemeinwohl, den Willen zur Wahrhaftigkeit und Kameradschaftlichkeit mit. Erbteil der Jugendbewegung war außerdem ein besonders ausgeprägtes Verhältnis zur Natur.
Auch in Österreich gründeten sich neue Gilden. Mitte der 60er Jahre gab es rund ein Dutzend aktiver Gilden. Im Geist der späten 60er Jahre erhielten die Gilden jedoch kaum noch Nachwuchs. Erst mit Beginn der 80er Jahre gelang es, Zug um Zug neue Gilden aufzubauen und ältere neu zu beleben.
Heutige Positionierung
Die DG ist sowohl in der Verbindungslandschaft als auch in der Jugendbewegung verankert. Dies zeigt sich z.B. darin, dass Aktive 1963 und 1988 an Lagern der Jugendbewegung auf dem Hohen Meißner teilgenommen haben, in denen an das Treffen der Freideutschen Jugend 1913 erinnert wurde. Gleichzeitig arbeitet die DG im Convent Deutscher Akademikerverbände und im Convent Deutscher Korporationsverbände mit. 1978 und 1993 richtete sie überregionale Verbändegespräche aus. Mit dieser Kombination von jugendbewegten und korporierten Elementen ist sie wohl einzigartig in der deutschen Verbindungslandschaft.
1990 erfüllte sich ein für die DG zentrales politisches Ziel: die Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit. Daran hatte der Bund über Jahrzehnte unbeirrt und gegen viele Anfeindungen festgehalten. 1992 zog die DG mit der „Salzburger Erklärung” Schlussfolgerungen aus der veränderten Lage für ihre Arbeit.
Um den Weg ins 21. Jahrhundert zu weisen hatte im Herbst 2008 sowohl unser damaliger Aktivensprecher einige Eckpunkte formuliert, als auch der Bundesvorstand der DG mit der „Quedlinburger Erklärung” eine aktualisierte Grundsatzerklärung beschlossen.
Im Umfeld des Meißnertreffens 2013 entstanden unter Bünden der Jugendbewegung Debatten über die vermeintliche politische Ausrichtung einzelner Bünde, darunter der Deutschen Gildenschaft. Sie mündeten in einen sogenannten Dialog der Bünde auf der Jugendburg Ludwigstein. Die Gildenschaft nahm dies zum Anlass, ihr Selbstverständnis orientiert an den Herausforderungen der Gegenwart und in einer zeitgemäßen Sprache neu zu formulieren. Ergebnis war die Göttinger Grundsatzerklärung vom 15. November 2014. Im Rahmen des Dialogs verständigten sich die teilnehmenden Bünde zudem auf eine auf Gut Steimke am 15.Juni 2014 formulierte gemeinsame inhaltliche Grundlage. Beide Erklärungen sind verbindliche Grundlagen unserer Arbeit.