Die wachsende Politikverdrossenheit in Deutschland gibt zunehmend Raum für Extremismus an den Rändern des politischen Spektrums. Als überparteilicher Bund, der junge Menschen zu verantwortlichem Handeln in der Gesellschaft vorbereiten will, hat sich die Deutsche Gildenschaft in allen ihren grundsätzlichen Erklärungen immer zur freiheitlich-demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung bekannt. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit den Problemen unserer Zeit, darunter auch den Fehlentwicklungen und Gefährdungen unseres Staates.
Der Vorstand der Deutschen Gildenschaft bekräftigt mit der folgenden Klarstellung unsere in den bisherigen Erklärungen niedergelegten Grundsätze und steckt damit den Rahmen unserer politischen Grundüberzeugungen ab.
- Die „Zugehörigkeit zum deutschen Volkstum“ wird in der Grundsatzerklärung von 1958 als der „Ausgangspunkt“ für die „Befassung mit den Fragen der Gesellschaft und des Staates, der nationalen und übernationalen Ordnung“ Der Begriff „Volkstum“ ist im Wesentlichen ein kultureller Begriff, umfaßt also Sprache, Tradition, gemeinsame Geschichte und geistige Ressourcen. Überwiegend wächst der Mensch durch die abstammungsbedingte kulturelle Prägung in diese Gemeinschaft hinein. Die Teilhabe daran war und ist aber auch Menschen möglich, die aus einem anderen Umfeld kommen. Darin sehen wir einen, aber nicht den einzigen Beitrag zur Integration der Gesellschaft in Deutschland.
Identitätsstiftende und integrierende Bedeutung können auch die im Grundgesetz konkretisierte Wertordnung und die Staatsangehörigkeit haben. Bereits in der „Salzburger Erklärung“ haben wir 1992 betont, daß in der „kulturellen, regionalen und landsmannschaftlichen Vielfalt Deutschlands“ Fremde stets einen Platz gefunden haben. Es ist eine der wichtigsten staatspolitischen Herausforderungen unserer Zeit, angesichts der zunehmenden kulturellen Vielfalt unseres Landes den nationalen Zusammenhalt der Staatsbürger auf den gemeinsamen Fundamenten der gewachsenen Kultur und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu stärken.
- Ein weiterer zentraler Punkt in unserem Denken ist die Menschenwürde, die in der Nürnberger Erklärung von 1963 als Basis für ein „allgemeines Recht“ betrachtet wird, „das seine Gültigkeit trotz aller Verletzungen nicht verlieren kann“. Auf ihr beruhen auch die Grundrechte des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Durch den demokratischen Verfassungs- und Rechtsstaat werden sie geschützt. Fehlentwicklungen in unserem Staatswesen aufzuzeigen, halten wir für Bürgerpflicht. Gleichzeitig treten wir einer Fundamentalkritik entgegen, die unseren Staat, seine Institutionen und die Gesamtheit der ihn tragenden Parteien als insgesamt undemokratisches System verunglimpft.
- Ein Teil der Menschenwürde ist die nationale Würde, die uns, wie den Angehörigen aller Völker, zukommt. Die „Aussöhnung des deutschen Volkes mit sich selbst“, wie sie in der Salzburger Erklärung von 1992 beschworen wird, ist eine Aufgabe, der wir uns besonders widmen wollen, so lange es in der Bundesrepublik Deutschland politische Kräfte gibt, die diesem Ziel entgegen arbeiten. Achtung vor Anderen und Selbstachtung gehören jedoch untrennbar zusammen. Beides gemeinsam entzieht extremistischen Haltungen wirksam den Boden. Daher lehnt die Deutsche Gildenschaft die Diskriminierung und Missachtung von Menschen anderer Herkunft ebenso ab wie eine antideutsche Haltung.
- Teil der „Aussöhnung unseres Volkes mit sich selbst“ ist ein angemessener Umgang mit der Vergangenheit. Dieser verbindet sich mit der Überzeugung, dass Geschichte der Identifikation und Selbstvergewisserung dienen soll. Das Abstreiten von Teilen der eigenen Geschichte, auch der Verbrechen, die in deutschem Namen begangen worden sind, widerspricht diesem Bekenntnis. Andererseits bedeutet die einseitige Verkürzung des historischen Bewußtseins auf negativ geprägte Zeiträume eine unzulässige Verengung des Blickwinkels. Deshalb haben wir bereits in der Salzburger Erklärung einen „der Wahrheit verpflichteten Umgang mit der Geschichte“ Zu unseren Anliegen gehört eine nachhaltige Aussöhnung insbesondere mit den ostmitteleuropäischen Nachbarvölkern.
- „Die Deutsche Gildenschaft als akademische Erziehungsgemeinschaft mit nationaler Überzeugung und bündischer Tradition“ setzt sich die Erziehung ihrer Mitglieder zu verantwortlichem Handeln als Ziel. Patriotische Verantwortung sehen wir als eine wesentliche Leitlinie politischen Handelns an. Das schließt extreme Haltungen aus, die zur Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas und letztlich zur Zerstörung unserer Freiheit führen können. Es widerspricht dieser Leitlinie, Ressentiments in der Bevölkerung zu schüren, die geeignet sind, den gesellschaftlichen Frieden zu stören. Auch das Engagement in Parteien oder Organisationen, die es an kritischem Bewusstsein gegenüber religiöser Intoleranz oder totalitären Ideologien vermissen lassen, ist damit nicht vereinbar. Die für uns selbstverständliche Ablehnung von Extremismus bedeutet aber keinesfalls die Übernahme „politisch korrekten“ Denkens und Sprechens. Diese Zumutung, die in der Gesellschaft oft aus irrtümlichem Bemühen um wohlmeinenden Bürgersinn zur Norm erklärt wird, widerspricht unserem Grundsatz der Wahrhaftigkeit.
- Die Salzburger Erklärung macht die „einseitige Orientierung an einem materialistischen und individualistischen Lebensstil“ verantwortlich für „die Gleichgültigkeit und die ablehnende Haltung großer Teile unseres Volkes gegenüber den neuen Aufgaben“, die Anfang der 90er Jahre die Wiedervereinigung mit sich brachte. Diese Feststellung betrifft auch die Herausforderungen dieses Jahrhunderts. Unser Leben als Bund, das diesem Lebensstil Einstehen füreinander, freies Denken und Bindung gegenüberstellt, schafft in unserem Rahmen ein gesundes menschliches Fundament für unsere Mitglieder. Dies könnte für die Gesellschaft einen umfassenderen Ausgleich bewirken und so den Extremismen die Grundlage nachhaltiger entziehen als die tagespolitische Auseinandersetzung allein.
Quedlinburg, 28.09.2008 gez. Kurt Heißig, Bundesvorsitzender