Drückend schwüle Luft und der Geruch von Regen hinterlegten das emsige Treiben vor unserem Gildenhaus in der kleinbürgerlichen Wohngegend. Von neugierigen Nachbarn beäugt, quetschten wir uns mit Vorfreude im Bauch in den überfüllten Wagen, der uns nach Fürstenberg zum 50. Göttinger Gildentag bringen würde. Belagert von Gitarren, Rücksäcken, Taschen und unserer Fahne gingen wir noch einmal die Texte für die kleinen Theaterstücke durch, die wir am Wochenende darbieten würden.
Einige Stunden und viele Begrüßungen später ließen wir uns von Ulla an den Waldrand oberhalb von Fürstenberg führen. Durch Gesang und einige Worten, mit denen Ulla vor allem die freundschaftlichen Bande, die innerhalb unserer Trutzburg geknüpft wurden und werden, hervorhob, wurde der Göttinger Gildentag eröffnet.
Bevor man sich auf die Zimmer zurückzog, verbrachten wir den Abend mit Gespräch, Gesang und Bowle – eingeleitet durch Wolframs Erfahrungsbericht von seiner Zeit auf der Gorch Fock.
Der Morgen kam herauf und wir begrüßten ihn mit einer Morgenfeier über den Frühling, bevor wir uns für den ersten Vortrag zu unserem Gildentags-Thema „Energien“ im schlichten Seminarraum der Jugendbildungsstätte zusammenfanden. Gehalten wurde von Biber ein sehr interessanter und aufschlussreicher Vortrag über die Gefahren und Risiken bei der Nutzung von atomarer Spaltungsenergie. Sehr lehrreich waren auch seine einleitenden Ausführungen über die physikalischen und chemischen Grundlagen der Atomkraft. Man wird wohl verstehen, dass nach solch spannenden Worten die anschließende Mahlzeit häufig durch recht erregte Gespräche und Diskussionen unterbrochen wurde.
Der Mittag brachte uns schönsten Sonnenschein. Während nun wir Göttinger noch einmal zum Thing den Seminarraum aufsuchten, tobten die Kinder und flanierten Gäste und Freunde der Gilde die Wärme genießend über den Hof. Auch waren uns noch herrliche Sonnenstunden vergönnt: Nach Thing, Kaffee und Kuchen liefen wir uns die unterforderten Bewegungsmuskeln auf einem kleinen Spaziergang wach. Der Himmel lachte und der Blick reichte bis zum hohen Meißner. Das Schönste an diesen Wanderungen ist für mich jedoch, Zeit zu haben sich mit einzelnen zu unterhalten. Später blieb nicht viel Zeit zwischen der kunstvollen Zirkus-Vorstellung der Kinder, dem Abendbrot und Theaterproben, um uns für den Abend umzuziehen.
Endlich war er dann da, der Festabend. Er kam mit Tanz, Gesang, Geschwätz und zwei kleinen Theaterstücken von Hans Sachs, die wir als Aktive eingeübt hatten. Ich genoss den Abend, wie den gesamten Gildentag. Es ist schön, wie die Älteren unseres Bundes, auch wenn man sie nicht oft sieht, gerne von ihrem Erfahrungsschatz preisgeben, um uns zu unterstützen – und wie sie sich an der lebendigen Göttinger Aktivitas freuen.
Mit etwas schweren Lidern verfolgten wir am Sonntag-Morgen die Morgenfeier zum Thema ‚Mündigkeit‘, nach der wir uns dann der akademischen Feierstunde und mit ihr dem zweiten Vortrag zum Thema „Energien“, gehalten von einem ehemaligen Vorstandsmitglied der RWE AG, zuwandten.
Der Gildentag liegt nun schon zwei Wochen zurück und was mir lebhaft im Gedächtnis blieb ist, neben den zahlreichen freundlichen Gesichtern und Gesprächen, vor allem eines: Das Lied „Die Gedanken sind frei“. Aber es ist eben nicht nur das Lied an sich, sondern die Art und Weise, mit der es während der akademischen Feierstunde gesungen wurde. Laut, deutlich, überzeugt und aus tiefstem Herzen gesungen jagte es mir einen leisen Schauer über den Rücken, während ich zwischen älteren und aktiven Bundesgeschwistern stehend die Finger über die Saiten der Gitarre springen ließ.